Beiträge von Wonzel im Thema „Kinder erinnern sich an ihre schlimmste Strafe“

    Herman, ich könnte jetzt sagen: Vergiß alles, du hast es hinter dir. Das ist aber nur Geschwätz, denn du leidest heute noch darunter, was damals geschah und es ist wohl kaum mehr möglich, aufgrund deiner gesundheitlichen Problem hier einen Schlußstrich zu ziehen. Aber Kopf hoch, wer einen Borel zu schätzen weiß, der hat den Anfang gemacht.

    Nach dem Heim verlief bei mir zu Hause in Stuttgart eigentlich alles ganz ordentlich und normal, mal von einigen Streichen abgesehen, nur meine Gerschwister fehlten mir. Sie kamen erst zwei Jahre später frei, als wir dann nach Freiburg zogen mit einer billigen Wohnung, da wir ausgebombt waren, so hieß das damals.
    Eine schlimme Zeit war, als meine Eltern sich scheiden ließen und ich mich echt nach Mistlau wieder zurücksehnte.
    Ansonsten verlief unser Leben, also das meiner Schwester, meines Bruders und mir in geregelten Bahnen, von dem abgesehen, daß wir drei auf uns alleine gestellt waren. Was aber sehr lehrreich war, unsere Mutter lehrte uns das Kochen, den Haushalt schmeißen. Unser erstes Taschengeld verdienten wir mit Alteisen sammeln, was ganz schön lukrativ war. Für's Kilo gab's 70 Pfennige. Unsere Lieblingsspielplätze waren die Trümmerfelder von Freiburg. Kurze Zeit später war das verboten, weil zwei Kinder von herabstürzenden Gebäudewänden erschlagen wurden.
    Später, während meines Studiums, lernte ich zum ersten Mal den Hunger kennen. Ich bekam keinerlei Unterstützung von zu Hause, meine Mutter hatte ihren neuen Freund kennengelernt. Hilfe bekam ich etwas später von den Altherren einer Studentenverbindung. ( "Rhenanie sei's Panier" ) Die zogen mich durch bis zur Schlußprüfung, heute sagt man Examen dazu. Anschließend verlief mein Leben in angenehmen und geordneten Bahnen bis zum heutigen Tag.
    Vieles habe ich jetzt nicht erwähnt, wie z,B, die Bundeswehrzeit, freiwillig. Ich hätte beim Bund bleiben sollen, da ich eine gewisse martialische Einstellug dazu hatte. Außerdem mit 55 Jahren Pension mit dicker Rente.
    Wie gesagt, ich kann mich über meine Vergangenheit nicht beschweren. Wenn ich Wallys Geschichte dazu betrachte, dann kann ich nur sagen, um es mal euphorisch auszudrücken: "Lieber Gott, du hast es gut mit mir gemeint"

    Im Kinderheim wurden wir permanent bestraft für kleine und große Dinge, ob schuldhaft oder nicht. Man gewöhnte sich daran. Aber die größte Missetat aller Zeiten tat ich nach dem Kinderheim in Stuttgart- Feuerbach. Es war ein heißer Sommer und ich spielte mit meinem Freund auf einer großen völlig ausgedorrten Wiese mit einem kleinen Wäldchen nebenan. Zu allem Unglück hatte ich eine Streichholzschachtel dabei. Jedenfalls kamen wir auf die Idee, dicke Stile eines Krautes, der innen hohl war, zu rauchen. Ich glaube, manch einer von euch kennt das auch. Er qualmte fürchterlich und uns wurde schlecht. Achtlos warfen wir die Glühstengel weg. Was dann kam, kann sich jeder denken. In Panik rannten wir weg, im Hintergrund das Prasseln des sich schnell ausbreitenden Feuers.
    Daheim angekommen hatte ich ne wahnsinnige Angst, weil jetzt werde ich jeden Moment geschnappt und in den Kerker ( Kerkerhaft gab es damals noch ) gesteckt. Von weitem hörte ich schon die Feuerwehr kreischen und von meinem Fenster aus, sah ich die gewaltigen Rauchwolken sich emporheben. Man sah sie noch Stunden später. Als meine Eltern heimkamen machte ich einen auf mordsmäßig Kopfweh, was ja eigentlich auch stimmte. Mein Vater meinte noch, schau an, da brennt's, wahrscheinlich verdammte zündelnde Kinder !
    Ich habe gar nichts gemeint, bin ins Bett und habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht, jeden Moment rechnend, daß es an der Haustüre läutete und man mich abführte. Der nächste Tag auch nichts, kein Verhör, keine Folter, kein Todesurteil.
    Am übernächsten Tag stand es in der Zeitung. " Riesiger Flächenbrand auf dem Gelände der Hohewartschule, von dem auch ein großes Waldstück nicht verschont blieb. Hinweise auf den oder die Täter an u.a. Polizeistelle"
    Der oder die Täter konnten nie ermittelt werden. Wer denkt denn auch, daß zwei unschuldige Knaben...usw. Klar, mein Freund und ich schworen einen Eid und daß der, der petzte, später in die Hölle käme wegen Vetrauensbruch. Damal glaubten wir an den wahrhaftigen Teufel incl. seiner Behausung. Das Kinderheim war ein züchtiger Lehrmeister.
    Seltsam, dieses Erlebnis muß mich geprägt haben, denn heute noch liebe ich es, den Feuerteufel rauszuhängen. Wenn ich z.B. an einem lauen Hochsommerabend meinen Grill vorhole und als Alibi etliche Fleischstücke draufschmeiße. Wenn dann jeder satt ist, geht's richtig los. Da wird Holz im Garten geschlagen, auch Nachbars Bohnenstangen müssen dran glauben. Es flackert, es kracht, es sprüht Funken und es scheint, als ob höllische kleine Feuerteufelchen einen Reigen sondersgleichen aufführten. Die Nacht wird zum Tag, solange, bis der Tag wirklich anbricht. Mein Jüngster kommt da ganz nach mir, aber ne öffentliche Wiese hat er noch nicht angezündet...soviel ich weiß.