Beiträge von Hagiel im Thema „"Hüterin der Würde"“

    Ich denke schon, dass man immer mal wieder in Situationen kommt, die peinlich sind.


    Sich schämen für andere. Derjenige, der austeilt, ohne jedes Schamgefühl. Entweder ist ihm sein Gegenüber so egal, so dass der Respekt verloren gegangen ist. Fehlendes Taktgefühl für die Situation. Auch hemmungslose Streitlust, überschäumende Wut lässt manches Schamgefühl ausser Acht. Kommt man wieder zur Ruhe, sieht es wieder anders aus. Emotionen lassen Dinge geschehen, die man sonst nicht für möglich hält. Ich selber habe Choleriker erlebt, die fremde Menschen gedemütigt haben, ohne jeden Grund, nur weil sie ihren Willen nicht bekommen haben. Da habe ich mich fremdgeschämt. Es gibt also viele Auslöser. Die Vergangenheit spielt auch eine grosse Rolle. War ich vielen Demütigungen ausgesetzt, verändert sich auch die Sichtweise und die Schamgrenze.



    Ich kann immer nur von mir selber ausgehen. Ich glaube, wenn die Würde des anderen verletzt wird, schrillen sämtliche Alarmglocken. Auch meine eigene Würde setzt Kräfte frei, die sonst immer nur schlummern.


    Nun zu Deiner Frage: Warum muss man sich überhaupt schämen? Wenn man z.B. zu sich selber steht, mit dem was man sagt und tut?


    Auch dann schämt man sich, wenn das Gesagte oder das Geschehniss nicht mehr mit den eigenen Werten übereinstimmt.
    Auch wenn ich zu mir selber stehe und ein gesundes Selbstbewusstsein habe, passieren peinliche Situationen, weil ich nicht immer alles unter Kontrolle habe, und Dinge einfach passieren. Wir sind Menschen und das Miteinander führt schon mal zu Kuriositäten.


    Aber, wie schon in dem Beitrag beschrieben, hilft es über Scham zu sprechen, diese Hürde zu überwinden und dann ist das Ganze schon wieder weniger peinlich, sondern bestenfalls zum Lachen.


    Ich erzähle Dir jetzt mal was ganz peinliches. Stell Dir vor, Du hast permanent Blähungen. Du musst aber ständig einhalten, weil Du keine Möglichkeit hast, mal Dampf abzulassen.
    Und dann passiert es. Du musst niesen und das Maleur passiert. Jeder hört es, Du hast eine Bombe, weisst nicht mehr wo Du hingucken sollst. Was machst Du?


    Im besten Fall schüttelst Du Dich vor lachen und sagst, endlich hat er es geschafft. Was meinst Du, wie viele diese Situation selber kennen.
    Aber ganz ehrlich, hoffentlich passiert das nicht mal unter lauter Fremdlingen mitten in einer Sitzung. Aber über eines könnte man sicher sein, man ist in aller Munde. :D


    Du siehst, dies ist ein sehr erschöpfendes Theme. Ich komme mal wieder nicht zum Ende und darum sage ich jetzt Schluss. :D

    Konstruktiv mit eigenen und fremden Schamgefühlen umgehen.


    Scham ist viel zu wenig in unserem Bewusstsein verankert. Sie wird geheim gehalten, man zeigt sie nicht.
    Wir sollten sie aus der Tabu - Ecke herausholen und zu einem Thema machen. Allein darüber zu reden wirkt oft schon psychologisch entlastend und unterstützt ihre positive Funktion.
    Ausserdem können wir versuchen, unseren Mitmenschen überflüssige und vermeidbare Scham zu ersparen, durch einen freundlichen, respektvollen Umgang.



    Quelle: INTERVIEW: Dr. Luitgard Marschall. Apotheken-Umschau Ausgabe März 2012

    Überbordende Scham kann demnach sogar krank machen. Sie versetzt die Betroffenen in einen Zustand existenzieller Angst. Der Psychiater und Psychoanalytiker, Leon Wurmser, spricht von einem Zustand der abgrundtiefen Verzweiflung und Panik. Manche Menschen versuchen sich aus dieser Situation zu retten, indem sie sich innerlich in einen Eisblock verwandeln.


    Diese emotionale Erstarrung kann bis zur Depression und zur Selbsttötung führen. Ausserdem können Schamgefühle, wie sie beispielsweise durch mangelnde Anerkennung am Arbeitsplatz oder durch Arbeitslosigkeit entstehen, das Risiko für stressbedingte Leiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.

    Scham als Schutzfunktion:


    Ihre Aufgabe ist es, die Würde des Menschen zu behüten. Sie ist wie ein Seismograf, der äusserst sensibel reagiert, wenn unsere Grundbedürfnis nach Schutz, Anerkennung, Zugehörigkeit oder Integrität verletzt wird.


    Scham ist ein extrem peinliches Gefühl. Sie sitzt wie ein Stachel im Fleisch. Wer sich schämt, möchte am liebsten im Erdboden versinken. Doch gerade weil Scham - Erfahrungen so quälend sind, können sie zu positiven Lerneffekten führen.


    Schamgefühle sind nicht nur positiv:


    Zu viel Scham ist kontraproduktiv. Extreme Scham - Erlebnisse in Kindheit und Jugend können die geistige und emotionale Entwicklung Heranwachsender beeinträchtigen.
    Das Übermass an Scham kann sich dann nach aussen gegen Mitmenschen richten.
    Dies äussert sich etwa in Arroganz, Verachtung oder Gewalt.


    Pathologische Schamgefühle können aber auch nach innen, also gegen den Scham Empfindenden selbst gerichtet sein und selbstzerstörerisch wirken.

    Psychologie:


    Scham sitzt wie ein Stachel tief im Fleisch, kann aber neben negativen Reaktionen auch positive hervorrufen.


    Formen der Scham!

    - Gewissens-Scham ist die Hüterin der eigenen Integrität und tritt auf, wenn wir entgegen unseren eigenen Werten und Überzeugungen leben.

    - Fremd - Scham empfinden wir für andere Menschen in peinlichen Situationen.

    - Intimitäts - Scham schützt die Intimsphäre und tritt auf, wenn dieser Bereich verletzt wird.

    - Ausgeschlossenheits - Scham ist das schmerzhafte Gefühl, nicht dazuzugehören, etwa durch Armut oder Krankheit.


    Scham lässt uns erröten und in peinlichen Situationen sprichwörtlich im Boden versinken. Selbst wenn fremde Menschen sich blamieren, berührt und das unangenehm. Scham ist ein Gefühl, das jeder kennt und das uns im Innersten verletzt.Trotzdem ist sie wichtig und sinnvoll.


    Quelle: Dr. Stephan Marks ist Sozialwissenschaftler. Er klärt Menschen, die mit anderen arbeiten, über Scham und Menschenwürde auf.

    Apotheken Umschau, Ausgabe März 2012