Wunderkinder

  • Wunderkinder

    Gestern war ich ja bei meinem Sohn in seinem Lokal eingeladen zum Mittagsbuffet. Anschließend sind wir zu ihm nach Hause gegangen und habe uns ein wenig hingelegt, weil Essen macht müde und das Bier erst recht.
    Am Abend haben wir wieder Durst und gehen in einen Biergarten, der eigentlich mehr für Kinder geeignet ist, also nicht wegen des Bieres sondern wegen der unwahrscheinlichen Spielmöglichkeit für dieselben.
    Marie und MS, natürlich wieder!, ebenfalls dabei. MS hat eine Freundin, die Luisa, die später auch hinzukommt. Beide sind jetzt letzte Jahr im Kindergarten und dann geht die Schule los.
    Bastl, also mein Sohn, flüstert mir geheimnisvoll ins Ohr, ich solle Luisa bloß keine Fragen stellen, die ich nicht selbst beantworten könne. Häh? Ob er jetzt spinne und er solle mit dem Bier mal langsam machen! Ich frage sie also, ob sie sich auf die Schule freue. Jo, die lapidare Antwort.Ich sage mit wichtiger Miene und erhobenem Zeigefinger ( Das tut man immer, wenn man dem Gesprächspartner etwas eindringlich einpauken will ), da fange aber der Erbst des Lebens an. Jo, sie wisse schon, aber der Ernst des Lebens könne, wenn man es richtig anstelle, auch der Spaß des Lebens sein. Ich merke, mit der Kleinen stimmt was nicht. Im Gegensatz zu ihr stimmt bei MS fast alles, weil sie kann noch nicht mal lesen, allerdings ein wenig schon und Quadrieren kann sie auch nicht.Ich frage Luisa, was ihr am meisten Spaß mache? MS plärrt dazwischen, daß sie am liebsten mit den Barbiepuppen spiele und Fahrradfahren, gell Mama?.Luisa sagt, daß sie auch gerne mit dem Rad fahre, aber Barbiepuppen...na ja, wer's mag. Singen tun beide gerne und beide fangen an, ein Liedchen zu trällern, das mich ob seiner Schmutzigkeit schockiert. MS grinst und meint, das habe sie von den Kindergartenbuben übernommen. Ich denke, na ja, wenigstens etwas lernen die Kinder heutzutage im Kindergarten.
    Ich frage Luisa, was für Schulfächer sie am liebsten habe. MS kennt den Begriff Schulfächer noch nicht und ihr fällt der Unterkiefer runter, sodaß auch noch der Sabber rauskommt. Mama ist empört und sie solle gefälligt mal mit der Serviette rüberwischen. Macht sie auch, mit einer, die die schon in der Bratensoße am aufweichen ist. Luisa schüttelt den Kopf und flüstert ihr zu, so möge bitte ein frisches Tuch nehmen. Die ganze Zeit stelle ich fest, daß MS grundsätzlich das macht, was Luisa will. Sie zeigt bereits jetzt schon ein dominantes Wesen.
    Bastel kennt Luisa schon längere Zeit und flüstert wieder, ich müsse wissen, daß Luisa ein Wunderkind sei. Ach, frage ich erstaunt, wie daß denn? Sie habe schon mit drei Jahren sich selbst das Lesen beigebracht und kurze Zeit später hätte sie das große Einmaleins auswendig gekonnt. Boah, denke ich und will sie prüfen und sage ihr, sie solle doch mal die ganze Speisekarte, die beträchtlich lang ist, vorlesen.Sie gähnt und schaut mich mitleidig an und liest mit einer Schnelligkeit, bei der ich nicht mehr mitkomme. Gut, denke ich Deutschprüfung bestanden und will ihre Rechenfähigkeit prüfen und stelle ihr eine Frage, die die meisten Erwachsenen noch nicht mal beantworten können. Aber mich reitet das Teufelchen und frage also, was die Wurzel aus zwei sei? Sie kaut auf einem Salatblatt rum, gesund leben tut sie auch noch und antwortet: Ca 1,4142...Sie bemerkt noch, daß diese Zahl unendlich sei. MS hört absichtlich weg, aber jetzt fällt ihr noch der Oberkiefer auf den bereits runtergeklappten Unterkiefer drauf, aber ich bemerke, daß sie ihre Freundin neidlos bewundert. MS ist ja auch nicht der Blödesten eine, weil sie hat im allgemeinen eine recht gute Satzbildung, was auch nicht jedes Kind hat. Bei mir beginnt jetzt allerdings auch der Unterkiefer sich in Richtung abwärts zu bewegen, werde jetzt noch frecher und frage sie, ob sie wisse, was eine gemischt- quadratische Gleichung sei. Ja, meint sie, davon hätte sie schon mal gehört, aber im Moment sei sie noch bei den einfachen Gleichungen, aber ihr Papa würde ihr das nächste Woche erklären. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus und mein Bier wird schal, weil ich es voll vergesse. Englisch kann sie auch, das habe ihr Mama beigebracht, als nächstes wolle sie Französisch lernen. Ich scherze und sage, chinesisch aber auch noch, oder? Sie antwortet cool, warum nicht, das sei eine Sprache, wie jede andere.
    Nun weiß ich, Luisa ist ein Wunderkind und wird mit 12 jahren ihren Doktor machen und 4 Jahre später ihren Professor.
    MS hat aber jetzt die Nase voll und brüllt Luisa ins Ohr, ob sie jetzt vielleicht gemeinsam mit dem Kettcar, eines der Fahrzeuge, die vom Lokal zur Kinderverfügung gestellt werden, fahren könnten?. Luisa brüllt zurück: Au ja! Beide rennen wir von einer Spinne gestochen auf das Fahrzeug und donnern mit quietschen Reifen davon. Luisa ist halt doch ein Kind, wie jedes andere auch...noch.
    Bastl erklärt mir nun,daß Luisa nicht in die hiesige Schule ginge, sondern sie bereits jetzt schon in Freiburg an einer privaten Eliteschule angemeldet sei.
    Glückliche Eltern...oder auch nicht. Beide, MS und Luisa werden ihren Weg machen, die eine den, die eine den anderen. Keiner weiß, welcher der bessere ist. Ich wünschte, beide Wege wären gleich gut.

    Was der Wille erstrebt, das erreicht er
    ( Donald Duck )

  • Dieses Thema enthält 6 weitere Beiträge, die nur für registrierte Benutzer sichtbar sind, bitte registrieren Sie sich oder melden Sie sich an um diese lesen zu können.