Wenn einer eine Reise tat.

  • Wenn einer eine Reise tat.



    Kennt ihr das auch? Da kommt einer von euren Bekannten oder Verwandten aus dem Urlaub zurück und hat nichts Besseres zu tun, dich am selben Tag, also Rückkehrtag,anzurufen um dich scheinheilig zu fragen, wie es dir denn gehe? Du sagst, es ginge dir gut und selbst?


    Sehr sehr gut, ich wüßte ja, daß sie/er in Urlaub gewesen sei. Ja, und wie es gewesen sei?


    Das ist jetzt ein großer, tödlicher Fehler! Normalerweise, wenn ich so was frage, dann möchte ich lediglich hören, gut oder schlecht. Fertig, aus und bei entspr. Antwort ist für mich das Thema erledigt, Übergang zur Tagesordnung.


    Sowas geht aber nicht, weil der Urlauber macht ja nur deshalb Urlaub, damit er dem Daheimgebliebenen davon erzählen und auch ein wenig angeben will, von den vielen Postkarten, die dann in denn nächsten Tagen eintrudeln, ganz zu schweigen. Ich schaue sie dann immer kurz an, stelle fest, daß die Postleitzahl wie immer nicht stimmt und ab damit in den Postkartensammelkarton. Ich sammel ja sowas nur der Briefmarken wegen, sie könnten ja mal wertvoll werden in ferner Zukunft, wenn's dieses Urlaubsland gar nicht mehr gibt.



    Soll ja auch so sein, man ist ja schon etwas neidisch, aber wiederum nicht so, daß man diesen Urlaubsort anschließend in- und auswendig kenntmit all seinen Bewohnern.


    Jedenfalls, sagt sie/er, meistens eine „Sie“, weil die sind dummerweise Meister im Erzählen, ob sie bei dir vielleicht einen Kaffee haben könnte, weil der sei in den Urlaubsorten sündhaft teuer. Du bist höflich, obwohl du genau weißt, was dich erwartet und du jetzt schon zu gähnen anfängst. Frisch, fröhlich und ein wenig künstlich abgekämpft kommt sie ins Haus, braungebrannt und mit neuer Frisur, weil die Urlaubsfriseure sind ja besonders preiswert, im Gegensatz zum Kaffee. Sie schnauft auch etwas hektisch, um anzudeuten, daß sie froh ist, endlich wieder daheim zu sein. Da frage ich mich, warum sie überhaupt dann zehn Tage weg gewesen sei? Das frage ich aber nur mich, weil alles Andere wäre doch etwas schofel und man ist ja schließlich gut erzogen.


    Ich mache Kaffee, ganz ganz langsam, weil das ist weitaus spannender, als der folgende zu erwartende mehrstündige Urlaubsvortrag, untermalt mit mind. Tausend Bildern.


    Ob ich mit dem Kaffee endlich fertig sei, sie hätte auch nicht ewig Zeit und müde sei sie auch. Mein Antlitz erhellt sich ein wenig und ich denke, die nächsten zehn Minuten kriegst du auch rum. Aus den zehn Minuten werden drei Stunden auch deshalb, auch weil ja jedes Urlaubsphoto in aller Ausführlichkeit kommentiert werden muß. Das z.B. sei ihr Hotel gewesen, einmal von vorne und dreimal von der Rückseite betrachtet. Die Dorfkirche von außen, von Süden und fünfmal von innen. Der Strand mit Sonnen- und Untergang, irgendein Felsen, wo draufsteht, hier sei Napoleon mal drauf gesessen.


    Ich muß das Gähnen unterdrücken, während bei ihr die angekündigte Müdigkeit ein ganz fieser Vorwand war, um mich in Sicherheit zu wiegen. Den Kaffee rührt sie nicht an, obwohl er bei mir nichts kostet, also auch so ein fadenscheiniger Vorwand. Ich weiß, man darf
    zu den einzelnen Bildern nicht eine Frage stellen, weil sonst blättert sie in ihrer Photosammlung wieder zurück und sagt, hier würde ich es nochmal genauer sehen. Habt ihr schon mal versucht, ein herzhaftes Gähnen zu unterdrücken? Fast unmöglich und wenn man dann Mund dabei geschlossen läßt, knackt das so komisch in den Kiefern. Aber sie ist so eifrig dabei am Bildervortrag, sie würde es wahrscheinlich gar nicht merken, daß mein Kopf schnarchend auf dem Tisch liegt.


    Spät in der Nacht ist es vollbracht und ich wache auf. Sie fragt, was ich jetzt von ihrem tollen Urlaub halte? Ich sage, nachdem ich wieder weiß, wo ich eigentlich bin, so einen Urlaub würde ich auch mal gerne machen. Dabei weiß ich überhaupt nicht, wo sie eigentlich gewesen ist.

    Was der Wille erstrebt, das erreicht er
    ( Donald Duck )