Kinderheim Meerane/Waldheim - Zwangssterilisationen

  • Ich setze folgenden Text in diese Rubrik um damit ein Versprechen ein zu lösen.Das Versprechen habe ich, der erzählenden Person, vor vielen Jahren gegeben.Ausserdem möchte ich darum bitten, wer in diesem Heim war und dem es möglich ist darüber zu sprechen, möge sich bitte bei mir melden. Danke. LG Carina

    Teil 1


    Sommer 1981: Der Transportwagen hält auf einem fremden, unbekannten Hof. Die Tür fliegt auf u eine Frau schreit: "Alles raus! Los, los! Laufschrift!" Sieben fragende Gesichter blicken sich kurz verzweifelt an. Die fünf weiblichen Gefangenen Springen zuerst vorm Wagen, danach Frank und ich.Irgendwie hatten wir es wohl für ein Gebot der Höflichkeit gehalten, den Frauen den Vortritt zu lassen. Aber Höflichkeit war hier nicht gefragt. Ich sehe, wie ein Stiefel nach mir tritt und Sekunden später befinde auch ich mich im Laufschritt. Die Richtung wird uns durch die Reihe der uniformierten Frauen vorgegeben, die uns später als unsere "Erzieherinnen" vorgestellt werden. Zwei Schließer standen auch dabei.


    Unser erstes Ziel ist eine Art Turnhalle.
    Man hatte aus mehreren Zellen Wände herausgebrochen, wodurch ein vielleicht 8 x 8 Meter großer Raum entstanden war. An der Fensterseite standen niedrige Holzbänke, vor denen wir nun angetreten waren. "Ausziehen, Sachen hinter euch auf die Bank. Dalli!" Wieder suchen sich unsere Augen. Wir lesen die gleichen Fragen. Es waren mit Sicherheit die gleichen Fragen, denn wir entstammten alle der gleichen Zivilisation und - wir standen wenig später alle in unserer Unterwäsche da. Eine der Uniformierter erklärt uns diesmal in ruhigem Ton: "Ihr seid hier, damit wir euch wieder auf den richtigen Weg bringen.
    Wir werden euch erziehen. Wir sind in den nächsten Monaten sozusagen eure Eltern.“ Und weiter: "Schämt man sich vor seinen Eltern? Na also! Und jetzt runter mit dem Zeug, aber ein bißchen plötzlich! Ihr werdet euch schnell dran gewöhnen."


    Die zwei Schließer stecken unsere Sachen in einen großen Sack und bringen sie weg. Wenig später stehen wir in Reih und Glied auf dem Gang neben einer Tür. Die "Aufnahme" beginnt! Manchmal kommt jemand über den Gang gelaufen. Auch andere Insassen, die man an ihrer Kleidung unschwer erkennt, kommen vorüber und werfen uns schüchterne Blicke zu. Sie haben einer größeren Vorteil. Nicht nur, daß sie Kleidung tragen - nein: sie wissen, was uns erwartet, denn sie haben es zweifellos schon hinter sich.


    Was geht in den Zimmer vor, in das wir sicher gleich hereingerufen werden? Warum läßt man uns so lange warten? Das Herz schlägt bis zum Hals. Nur die Frage, was als nächstes kommt, interessiert. Was morgen sein wird, übermorgen ... Es ist noch nicht wichtig. Erstmal den Moment überleben. irgendwie. Mit Würde, wenns geht. Geht das überhaupt noch?


    Wir sind nackt. Neben mir steht eine junge Frau. Sie ist sehr hübsch. Draußen hätte ich was drum gegeben, sie so sehen können. Aber hier? Nur nicht dran denken jetzt, nicht daß noch etwas unangenehmes passiert? Geht das überhaupt?
    Da ist doch diese Angst und diese Ungewissheit. Nein, keine Angst, da passiert nichts unangenehmes. Hunger! Wann haben wir zuletzt was gegessen? Na klar, heute früh in Berlin. Wie lange sind wir gefahren? Wo sind wir überhaupt? Ob man uns das sagen wird? Wenn ja, wann? "So, rein hier, meine Damen und Herren" reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken. Wir betreten eine Art Wohnzimmer. Richtig mit Sofa und Sesseln, einem großen Schreibtisch mit einem dickem Chefsessel dahinter. Die andere Hälfte des Zimmers ist leer. In der Mitte ein weißer Strich. Dort müssen wir antreten. Die Frau am Schreibtisch stellt sich als die Leiterin der Abteilung 04 vor. Frau Dr. Hahner. Dann sind da noch die Erzieherinnen Frau Hopp, Frau Salewski, Frau Erzberger, die Namen der anderen beiden habe ich vergessen. Sie sitzen rauchend in den Sesseln.


    Zigarettenrauch! Wann habe ich zuletzt eine Zigarette geraucht? Es riecht ... irgendwie nach Zivilisation in dieser kalten Umgebung. Es erinnert an draußen.


    Wir werden informiert, daß es in der Abteilung verschiedene Gruppen gibt, in die wir aufgeteilt werden. Die junge Frau, die mit mir zur Gruppe von Frau Erzberger kommt, heißt Kathrin. Sie ist ca. ein Jahr älter als ich, sieht aber mindestens wie Mitte 20 aus. Die Erzberger nimmt keine Notiz von uns. Alle Neuankömmlinge kommen dann runter ins Bad. Nach dem Duschen kommt ein Schock, den wir erst Tage später halbwegs verarbeiten können. Wir werden "enthaart“. Überall. Kathrin bekommt einen Weinkrampf. Mein Körper stellt um auf "Notprogramm". Ich schäme mich nicht mal mehr. Ich habe diesen Körper verlassen und stehe neben mir. Er gehört mir nicht, dieser Körper, mit dem sie das alles machen. Also muß ich mich auch nicht schämen. Diese Eigenschaft wird mir in den kommenden 22 Monaten noch gute Dienste erweisen. Danach erhalten wir Sachen. Sachen? Es ist ein Zwischending aus Kittel und Sack. War irgendwann mal blau-weiß gestreift, jetzt eher grau. Die Frauen bekommen einen Schlüpfer dazu. Wahllos. "Wenns nicht paßt, tauscht`s später unter euch aus“, sagt die Salewski barsch, nachdem eine aus ihrer Gruppe um einen kleinerer bat.


    Ich höre mich fragen, ob Frank und ich denn auch Unterwäsche kriegen. Frau Erzberger lacht und meint, ich könnte nachfragen, sobald ich meine Tage hätte. AHA. Dann werden uns doch je eine lange Hose zugeworfen und ein paar schwere Schuhe, die wir allerdings nur draußen und bei der Arbeit tragen dürfen, Wir werden aufgeteilt und folgen unseren Erzieherinnen in deren Diensträume. Dort erfolgt die "Aufklärung". Zunächst erhalte ich die Nummer 14 und bin damit 04-14.

  • Dieses Thema enthält 16 weitere Beiträge, die nur für registrierte Benutzer sichtbar sind, bitte registrieren Sie sich oder melden Sie sich an um diese lesen zu können.