Beiträge von Hagiel im Thema „Zucht und Ordnung in die Truppe bringen.“

    Ein bisschen paradox erscheint es mir schon. Auf der einen Seite hat mich die Erfahrung gelehrt, dass man sich nur auf sich selber verlassen kann, denn das ist zumindest sicher und auf der anderen Seite sucht man genau das, nämlich Schutz und Geborgenheit bei zumindest einer anderen Seele. Sei es der Partner, sei es die eigene Familie. Der Mensch ist nicht zum Alleinesein geboren, es bestätigt sich mal wieder. :gruebel: Die Sehnsucht rührt sicher daher, dass man die Geborgenheit vermissen musste, als sie am nötigsten gebraucht wurde. Als Kleinkind, Kind und Jugendlicher.

    Ich schrieb vor längerer Zeit schon einmal zu diesem Thema.


    Träume, die mich immer wieder eingeholt haben, und zwar bis ins Detail, immer wieder die Gleichen, sind seit meinem Aufsuchen der Orte meiner Kindheit nicht mehr aufgetaucht. Ich denke, dass es die Abschlussrunde war, um diese Zeit hinter mir lassen zu können.


    Von allen Stationen habe ich Bilder gemacht, Orte der Vergangenheit mit Hippie aufgesucht, mit ihm darüber geredet, (auch die Stationen in den Pflegefamilien). Schlussakkord war, die Mitteilung, dass die ehemaligen Pflegeeltern verstorben sind. Die Pflegemutter hat ihrem Leben selber ein Ende gesetzt, was mich trotz diverser schlechter Erfahrungen schon geschockt hat, und ja, auch traurig. Es ist ein Spagat zwischen Gut und Böse und das Dazwischen habe ich mir, so glaube ich, bewahren können, zumindest hoffe ich es.


    Wenn ich Eure Zeilen so lese, so denke ich, habe ich Glück gehabt, denn so manches mal ist Euch übler mitgespielt worden, sodass Ihr nicht abschliessen könnt. Ich würde es Euch so sehr wünschen....

    Der Stellenwert der Heimkinder tendierte gleich null. Heimkinder waren nichts wert. Nützlich, um Heimbetriebe mit aufrecht zu erhalten im finanziellen Bereich und Kinderarbeit. Kein Kind sollte für seinen Unterhalt so arbeiten müssen. Sprich, die Hausarbeit erledigen, Wäsche waschen, Böden schrubben, in der Landwirtschaft Feldarbeit erledigen, in den hauseigenen Gärtnereien mitarbeiten u.s.w. wie es in den Heimen abverlangt wurde.

    Nur durch die Mitarbeit dieser Arbeitskraft liessen sich Heime wirtschaftlich über Wasser halten. Diesen Aspekt sollte man nicht unterschätzen.


    Was die Grausamkeiten und den Missbrauch angeht, darüber kann man nur einer Meinung sein. Das war abscheulich und unentschuldbar.




    Ich frage mich oft, warum so und nicht anders gehandelt wurde. Richtiger wird unsere Erziehung natürlich nicht, wenn man die Erziehung vergleicht, wie die Nonnen gehalten wurden. Alles hat eine Ursache und den Leidensdruck der Kinder kann auch mit nichts entschuldigt werden.


    Ich schreibe nachher weiter, Chefchen ruft...^^

    Wenn man überlegt, wie die Nonnen selber gehalten und "erzogen" wurden, so ist ihre, also unsere Erziehung ein Abklatsch dessen, was sie selber erlebt haben. Prügel, Einzelhaft bei Ungehorsam etc.


    Für die Nonnen also "normal", was sie uns angedeihen liessen. Eben, die schwarze Pädagogik. Ich glaube nicht, dass hinterfragt wurde, ob ihr Handeln richtig oder falsch ist.

    Sehr schlimm. Das soll einer verstehen. Nicht umsonst können noch heute unsere Mitmenschen nicht verstehen, was ein Heimaufenthalt bedeutete. Erlebnisse dieser Art, man trifft auf Unverständnis. Nicht umsonst wurden viele Heimeinrichtungen ausserhalb der Ortschaften, hinter dicken Mauern geschaffen, damit die Öffentlichkeit nichts mitbekam. Das ist so ein komplexes Thema und aus Erfahrung weiss ich selber, dass normal aufgewachsene Menschen, mit diesem Thema schlichtweg überfordert sind und Dich ungläubig anschauen. Also lässt man es. Manches Mal glaube ich ja selber, ich habe das nur geträumt.

    Ein Erlebniss aus Kindheitstagen im Heim.



    Ich mag so 5 Jahre alt gewesen sein. Es war ein herrlicher Sommertag. Highlight des Heimlebens war, wenn einer der wenigen Ausflüge angesagt war. Also dieser besagte Tag war so geplant, dass wir den Nachmittag zu einem Bach laufen wollten, der in der Nähe des Waldes lag, und von Wiesen umrahmt war. Wir waren schon öfter da, und ich kannte diese herrliche Ecke und freute mich dementsprechend. Konnte man doch herumtollen, Schmetterlinge jagen, im Bach plantschen und im Schlamm spielen.


    Einige der grösseren Jungen vertrieben sich die Wartezeit mit viel Lärm und Getobe. Trotz Ermahnung, waren sie nicht zur Ruhe zu bringen. Heute weiss ich, es war sicherlich die Vorfreude und das Warten dauerte ihnen zu lange.


    Es folgte, was kommen musste. Der Ausflug wurde abgesagt, mit der Begründung, dass wir eh nicht hören würden und der Tag im Heim verbracht wird. Ich fing zu weinen an und auch andere jüngere Kinder schluchzten neben mir. Der Kloss ging mir nicht aus dem Hals.
    Dann irgendwann, es war wie ein Wunder, hiess es, es kann losgehen. Wir würden doch losziehen. Meine Freude kannte keine Grenze, und ich war nur glücklich.


    Wir zogen los, sangen unterwegs ein paar Lieder und erreichten irgendwann den Bach. Wir verbrachten den Grossteil des Nachmittages mit spielen, als irgendwann, wie auf ein geheimes Zeichen, sich ältere Heimkinder und auch ein bis 2 Betreuerinnen sich 3 Jungen in die Mitte nahmen, etwas Abseits Richtung Waldesrand, jeder, sich für meine kindlichen Begriffe, riesengrosse Brennnesseltriebe abriss, und dann auf die 3 Jungen damit einprügelte, bis sie nur noch wimmernd am Boden lagen. Das passierte so schnell, dass ich lange Zeit nicht begriff, was sich gerade vor meinen Augen abgespielt hatte. Mir war schlecht und eine unheimliche Angst ergriff mich.


    Das war also das Wunder, warum wir doch noch den Nachmittag am Bach verbringen konnten. Eines könnt ihr mir glauben. der Rückweg verlief mucksmäuschenstill und sehr geordnet. Es wurde nie eine Erklärung geliefert und das Bild hat sich tief in mein Gedächnis eingeschnitten.


    Manchmal habe ich ein Horrorgefühl, und dieses Gefühl erlebte ich an dem Tag zum ersten Mal.