Beiträge von Wally im Thema „Mein Leben im Kinderheim“

    Meine wirklichen Erinnerungen fangen auch mit 6 Jahren an, zu hause dort hatte ich schon die hölle erlebt. ich glaube dieses päckschen tragen wir für immer. deshalb bin ich auch so krank geworten,und jetzt rentner

    Ja, dieses Schicksal teilen viele der ehemaligen Heimkinder. Einige sind daran zerbrochen, andere haben es vielleicht geschafft, und Ihr Leben in die eigenen Hände genommen. Was wir erlebt haben war schlimm, ja es war die Hölle. Doch wir haben es durch gestanden, egal wie und ich bin froh, das es denn heutigen Heimkindern besser geht als wie uns damals. Wobei, auch hier mag es Ausrutscher geben.

    Hallo Schalli,


    Erst mal ganz herzlich willkommen im Forum.


    Danke, das Du auch hier Deine Geschichte erzählst, nur ist die Schrift sehr klein und zumindest bei mir, wird sie auch nicht viel größer, wenn ich Deine Beiträge heran zoome. Aber man kann es lesen.


    Als ich das mit dem Schuh gelesen habe, den Du geschmissen hast, musste ich gleich an eine Sache denken, die mir passiert ist. Wir Mädchen hatten eine eigene Spielwiese, für die der Zutritt für die Jungs verboten war. Die grenzte direkt am Haus des damaligen Direktors des Heimes.


    Eines Tages waren wir beim schönsten Wetter auf dieser Wiese. Wir saßen dort im Kreis und mussten unsere Sachen nähen wie z. B. Knöpfe annähen oder unsere Socken stopfen. Ich war eigentlich soweit fertig und die kleine Nagelschere zum Fäden abschneiden brauchte ich nicht mehr. Ein Mädchen das einige Meter von mir entfernt war, fragte, ob sie die Schere haben könnte.


    Spontan schmiss ich ihr die Schere zu und plötzlich steckte sie mit der Spitze in einer ihrer Füße. Das Mädchen schrie laut auf und ich war mehr erschrocken. Unsere Nonne fand das unheimlich lustig und lachte sich echt nen Ast. Der Fuß war nicht schlimm verletzt und´wurde nach der Lachsalve der Nonne versorgt.


    Da ich so zu ihren Vergnügen beitrug blieb ich ausnahmsweise mal ungestraft.

    Doch eines muss ich noch los werden, nämlich meinen Abschied von der Kinderstation.


    Es war ein Abend vorher. Ich kam von der Toilette. Schw. Edelburga saß im Flur. Sie musste mich gehört haben als ich zur Toilette ging.


    Ich ging an ihr vorbei Richtung Schlafraum. Ich war schon fast an ihr vorbei und atmete innerlich auf. Plötzlich und wieder mal unerwartet griff sie mir von hinten in die Haare und zog so das ich mein Gleichgewicht verlor und zu Boden flog. Die Möglichkeit auf meine Beine zu kommen gab sie mir erst gar nicht. Sie hatte beide Hände in meine Haare gekrallt und schleuderte mich mit all ihrer Kraft hin und her. Mit meinen beiden Händen habe ich meine Kopfhaut fest gehalten, weil ich glaubte, das sie die mir vom Kopf reißen würde. Als sie endlich fertig war stand ich mühsam auf. Mir war total schlecht und übel. Grinsend zeigte sie ihre Hände die voll mit meinen ausgerissenen Haaren waren. Ich schaute nur kurz und wankte dann zur Glasbox, kotzte vor meinem Bett. Es stank fürchterlich. Aber ich ließ es wie es war und ging zu Bett, Lange starrte ich die Wand an und schlief irgendwann ein.


    An nächsten Tag kam ich dann auf die andere Station.


    Ende der Geschichte.

    Dein Kopfwackeln bis zum Einschlafen nennt sich Hospitalismus. Manche Kinder schlagen bis zum Einschlafen mit dem Kopf gegen die Wand oder schlgen mit dem Gesicht immer wieder auf das Kopfkissen.

    Das mit dem Kopf hin und her schaukeln, habe bis weit ins erwachsenen Alter gemacht. Ich glaube, aufgehört habe ich damit, als mein erstes Kind zur Welt kam.

    Je älter wir wurden umso weniger wurden die Prügel. Dafür vergriff man sich lieber ein weit jünger Kinder. Je jünger um so besser.


    Irgendwann ich war schon fast 16 kam der Zeitpunkt das ich diese Station verlassen sollte, Ich war eigentlich sogar ein wenig traurig darüber. An die Prügel hatte ich mich gewöhnt. Die Schläge spürte ich kaum noch. Wenn drauf los geschlagen wurde, versetzte ich mich gedanklich in eine schön Lage, denn um ehrlich zu sein, nicht alles war schlecht. Wenn wir Ausflüge machten, ins Freibad gingen oder auch schon mal in eine Freilichtbühne genoss ich diese Zeit sehr, denn sie vermittelte einen Hauch von Freiheit. Auch die Feierteage wie Ostern oder Weihnachten, Geburtstage, Namenstage. Das war eine prügelfreie Zeit und sie war von den Nonnen fast schon liebevoll gestaltet. Das meine ich jetzt nicht ironisch, das war einfach so. Es war der Himmel. War diese Zeit vorbei, zog die Hölle wieder ein.


    Mit 16 kam ich auf eine Station für jugendliche Heranwachsende. Arbeitete in der Nähstube von 8:00 Uhr morgens - 16:00 Uhr am Nachmittag. Wir bekamen damals 8 DM dafür. Von dem Geld sah ich aber nichts.


    Ich ließ mich auch nicht mehr schlagen. Jeder der mir blöd kam bekam dann die Prügel von mir. Ich schlug nur noch um mich und so kam der Tag, an dem man mich zu einem zum Haus gehörenden Bauernhof brachte. Die Bäuerin mochte mich nicht und so durfte ich von Morgens bis spät in die Nacht die Küche schrubben (natürlich auf alle Viere). Manchmal wurde ich auch mitten in der Nacht aus dem Bett geschmissen um weiter an der Küche zu arbeiten.


    Ich bändelte dort mit einem weit aus älteren Knecht an, erledigte meine Arbeiten, weil ich keine Lust dazu hatte nur sehr schlampig und so kam es, das ich nach vier Wochen wieder ins Heim zurück kam.


    Dieses mal kam ich in die Strickstube. Zu Anfangs machte es auch Spaß, dann wurde es für mich nur noch langweilig. Ich prügelte mich dort mit den Mädchen rum und wurde zu guter Letzt in ein Zimmer gesperrt, das ich erst nach einer Woche wieder verlassen durfte. Doch das war für mich gesehen keine Strafe. Endlich konnte ich mal ausschlafen. Endlich war ich mal für mich alleine. Es gab ein Bücherregal mit vielen Büchern vor allem Abenteuergeschichten die ich regelrecht verschlang. Ich konnte das Fenster öffnen und mich von oben mit anderen Mädchen unterhalten. Eigentlich war diese eine Woche die schönste Zeit im Heim.


    Danach dauerte es nicht lange wurde ich aus dem Heim entlassen und kam ins Jugenddorf Zehnthof in Essen-Kray. Avber das ist eine andere Geschichte.


    Acht Jahre lang war ich Terror und Angst ausgesetzt und das hat sich auf mein weiteres Leben ausgewirkt und auch geprägt. Es hat zig Jahre gebraucht um mich überhaupt im Leben zurecht zu finden und meinen Platz zu haben.


    Erst mit Klaus ist bei innerlich Ruhe und auch eine gewisse Zufriedenheit eingekehrt. Doch manchmal überkommt mich eine innerliche Unruhe und Unrast und ich möchte meine sieben Sachen packen und einfach verschwinden. Doch diese Phasen gehen vorbei und ich bleibe.


    Hier schließ ich mit meinem Leben im Kinderheim ab. Heute habe ich ein neues Leben und schaue nach vorne. Den Blick immer wieder nach hinten in die Vergangenheit zu richten habe ich abgelegt und so hoffe ich, lebe ich glücklich und zufrieden bis ans Ende meiner Tage.

    Einige Jahre aus dem Heim fehlen mir. So als ich 9, 11, 13, 14 und 15 Jahre alt war. Diese Jahre liegen völlig im Dunkeln und so sehr ich mich auch anstrenge, es kommt nichts. Es bleibt dunkel.

    Aufklärung


    Mit 12 Jahren bekam ich meine Menstruation. Natürlich wußte ich nicht was das war und war ganz erschrocken, als ich auf der Toilette saß das ich wie blöd blutete. Ich war so erschrocken darüber das ich laut um Hilfe schrie. Die Hilfe kam auch, aber anders als wie ich gedacht hatte. Ich wurde mal wieder vom Klo geprügelt, bekam anschließend eine Binde in die Hand gedrückt, mit der ich eine Woche lang aus kommen sollte und zwar so, das nicht ein Blutstropfen in die Hose ging. Gelang mir natürlich nicht, obwohl ich mir mit Toilettenpapier aushalf.


    Irgendwie bin ich es leid immer wieder die Prügel zu erwähnen.


    Das war meine Aufklärung.

    Zum ersten male wurde ich mit dem Tod Konfrontiert als der Direktor Hausmann starb, Er lag in einem Raum irgendwo in einem Keller. Die Kinder von anderen Stationen waren auch da. In einem Kreis standen wir um den Toten herum. Ich wußte mit dieser Situation überhaupt nichts anzufangen und warum der Mann dort mit all seinen Schläuchen da lag. Irgendwann fand ich das ganze so albern und ich musste mir krampfhaft ein Kichern unterdrücken. Irgend jemand erzählte was, doch ich hörte kaum zu und starrte nur ganz fasziniert den Toten an. Es war kein Gefühl in mir. In mir war alles tot, so tot wieder Mann auf der Bahre. Irgendwann nach endlos langer Zeit gingen wir wieder auf Station.

    Irgendwann an einem Tag wurde ich in unsere Putzkammer eingesperrt. Der Raum war sehr klein und voll gestellt mit Eimer, Putzstielen, Bohnerwachs der extrem roch und mir Kopfschmerzen bereitet. Ich war Stunden in diesen Raum und konnte nur stehen, weil er eben so voll gepackt war.. Irgendwann hörte ich Stimmen vor der Tür und suchte etwas, womit ich mich bemerkbar machen konnte. Zu klopfen oder zu rufen traute ich mich nicht, also nahm ich das Waschpulver, stopfte es mir in die Nase, zog tief ein und dann ließ ich eine ganze Serie von Niesern los.


    Das hatte Erfolg. Kurze Zeit später ging die Tür auf und ich durfte raus. Die Nonne bemerkte noch, das sie mich völlig vergessen hatte. Das mit dem Waschpulver war aber auch nicht so eine gute Idee. Am nächsten Tag lag ich mit Fieber und Kopfschmerzen, fast drei Tage zu Bett.


    Abends gab es zum Abendessen meist Milchsuppe, vor allem Haferschleim. Ich war davon kein Freund und aß sie nur widerwillig. Einem Mädchen, sie hieß Gabi erging es genauso. Im gegensatz zu mir, kotzte sie die Suppe wieder aus. Unter Schläge sollte sie das Erbrochene vom Boden essen. Als sie weit gehend alles wieder in sich hatte, spuckte sie erneut alles wieder aus und alles ging von vorne los. Beim dritten oder vierten male schaffte sie es, die Suppe nicht wieder auszuspucken. Das alles geschah, während die Nonne auf sie einschlug.


    In dem Schlafraum in dem ich lag, gab es zwei Glasboxen. Dort passten gerade ein Bett rein. Dort wurden Kinder eingesperrt, vorher in Zwangsjacken gesteckt.

    Ich weiß nicht was ich angestellt hatte, aber das Vergnügen hatte ich auch. Erst wurde ich durchgeprügelt, dann in die Zwangsjacke gesteckt und ab in die Box. Aus irgendeinem Grund wurde die Nonne von mir weg gerufen und vergaß dadurch die Bänder am ende der Ärmel auf dem Rücken zusammen zu binden.


    Durch die Prügel vorher, war ich fast zu einer Statue erstarrt und ich weiß noch, das ich stundenlang auf dem Bett kniete, ohne mich einmal zu rühren. Ich war nicht mehr ich. Da kniete eine Hülle. Total leer und hohl.


    Als die Nonne nach stunden wieder kam, fauchte sie mich nur an, die Jacke auszuziehen. Da bemerkte ich erst, das ich es die ganze Zeit hätte tuen können.


    Nicht nur ich bekam Prügel, die anderen Mädchen wurden auch nicht verschont und irgendwann bekamen wir noch eine Schwester Hildegard, die mich eines Nachts vom Clo prügelte. Schwester Edelburga hatte eine Schwester, die bei uns auch als Erzieherin auf die Station kam. Auch sie hatte eine Hand die ziemlich locker war. Später kam noch ein Fräulein Christel auf unsere Station. Auch sie prügelte munter drauf los.


    Jeder Erwachsene der zu uns auf die Station kam, bekam einen Freibrief mit, indem wohl stand, prügelt sie, missbraucht sie, tut mit ihnen was ihr immer auch wollt.


    Unser Alltag bestand aus Angst, Prügeln, geduckt sein, Unselbstständigkeit. Wir hatten nicht zu denken, keine Entscheidungen zu treffen. Selbst wenn wir auf die Toilette mussten, mussten wir den Arm heben und es lag im ermessen der Erzieherinnen, ob wir zur Toilette durften oder nicht. Jeden Mittwoch standen wir in Schlange vor dem Waschraum und dann wurden die Schlüpfer nach Bremsspuren und sonstiges abgesucht. Wurde was gefunden, ich glaube ich muss nicht nochmal erwähnen was dann passierte. Ich lernte schnell. Stopfte meine Schlüpfer ins Klo und schaffte es, mich an die Mädchen vorbei zu schmuggeln um in den Waschraum zu kommen.

    Ich glaube das waren nur unbefriedigte alte Weiber. In manchen Beiträgen ( in anderen Foren ) konnte man oft nachlesen, das diese Schlampen Kinder sexuell missbraucht haben.

    Wie ich viele Jahre später erfahren habe, bei einem Treffen im Franz-Sales-Haus (es ging da um die Kinderheimentschädigung) Haben sich Nonnen, Priester, Polizisten sich an die Jungen im Heim vergriffen. Der spätere Direktor des Heimes vergriff sich genauso an die Jungs. Von sexuellen Missbrauch von Mädchen habe ich gar nichts gehört. Damals bei dem Treffen, waren es überwiegend Männern die in dem Heim aufgewachsen sind.

    Später stellte sich dann auch noch heraus, das Kinder für Medikamente Versuche missbraucht wurden. Viele leiden heute noch und die Folgeschäden sind schon enorm.

    Es gab zwei Schulhöfe. Der eine, direkt an der Schule war für die Jungs. Wir mussten einmal über die Straße und wir Mädchen gingen in einen übergroßen Käfig der bis zum Pausen ende abgeschlossen war. Es war unter Strafe verboten, auch nur einen Jungen anzusehen, geschweige mit ihm zu reden. Einmal als ich zu unseren Affenkäfig ging, kam mir ein Junge entgegen. Lächelte mich an und drückte mir einen Ring in die Hand und verschwand. Es war so ein Ring den man aus jeden Kaugummiautomaten bekommt, aber damals wusste ich das nicht. Ich versteckte ihn in meiner Kleidung. Doch ein Mädchen von meiner Station hat das ganze beobachtet und sie erpresste mich damit der Nonne alles zu erzählen, wenn ich ihr den Ring nicht gebe. Ich gab ihr den Ring, den mittlerweile wurden die Prügel immer brutaler.


    Nach der Schule ging es in zweier Reihe auf die Station. Vorher mussten zwei oder drei Mädchen zur Großküche abweichen um das Mittagessen, das in sehr schwere große richtig dicke Eisentöpfe war, drei Etagen hoch schleppen. Das Alter der Mädchen spielte dabei keine Rolle. Diese Töpfe wurden nach dem Mittagessen von uns gesäubert, sowie unser Geschirr. Und wehe es war nicht alles sauber.


    Bevor es ans Essen ging, auf Station, wieder zweier Reihe und es wurde gebetet. Einmal zog Schw. Edelburga ein Mädchen aus dieser Reihe und verprügelte sie, während wir ein Mariengebet herunter leierten.


    Beim Essen mussten wir sehr gerade sitzen, die Handgelenke hatten an der Tischkante zu liegen. Einmal vergaß ich mich und plötzlich knallte mein Ellenbogen voll auf die Tischkante, so das dieser eine ganze Arie sang. Aber das passierte nicht nur mir. Nach dem Essen hatten wir anderthalbstunden Zeit bis wir wieder zur Schule mussten. Meist bildeten wir einen Kreis und es wurde entweder gesungen oder ein neues Lied einstudiert, oder wir mußten bis zur Schule den Kopf auf den Tisch legen ohne uns auch nur einmal zu bewegen. Oder es wurden sowas wie Gesellschaftsspiele, gespielt.


    Einmal saßen wir wieder in so einem Kreis zusammen. Die Schw.E schaute uns nach der Reihe an und suchte sich dann ein etwas jüngeres Mädchen aus, das sich in die Mitte stellen musste. Ohne Vorwarnung sprang sie plötzlich auf und schlug auf die Kleine so ein, das diese fast bewusstlos war. Als sie fertig war stürzten sich 29 Mädchen auf das Kind und hämmerten mit Erlaubnis der Nonne auf das Kind ein.


    Ich habe mich daran nicht beteiligt, habe nur zugeschaut und ich werde dieses hämische Grinsen der Nonne in meinen Leben nicht vergessen, als ich sie anschaute. Dieses hämische Grinsen sollte ich von nun an öfter sehen.


    Irgendwann ließen die Mädchen von dem am Boden liegenden Mädchen ab. Die Nonne griff in ihre Haare und zog sie in den Nebenraum wo sie eine ganze Weile bewusstlos lag. Wir mussten dann zur Schule.


    Hier muss ich erst mal aufhören.

    Morgens standen so um 7:00 Uhr auf. Manche Betten wurden kontrolliert ob sie nass waren. Mein Herz klpfte dabei immer sehr laut. Manche Mädchen, ich war nicht die einzigste, die einässten wurden dafür hart bstraft und ein Mädchen musste Ihr Laken einmal solange hoch halten, bis es trocken war. Sanken die Arme nach unten gab es jedes mal mit einem Stock was auf die Arme. Die Mädchen die so bestraft wurden waren in meinem Alter.


    Nach dem Waschen ging es zum Frühstück und um 8:00 Uhr ging die Schule los. Wir mußten uns immer in einer zweier Reihe aufstellen und so maschierten wir zur Schule. Zur Schule ging ich dort eigentlich gerne. Bis auf wenige Ausnahmen wurde man nicht geschlagen. Nur einmal musste ich meine Hände her halten. Das war im Religionsunterricht. Ich alberte mit meiner Sitznachbarin etwas rum und ließ einen Spruch los, der in etwas so lautet: "Jesus sprach zu seinen Jündern, wer kein Löffel hat, frisst mit den Fingern"


    .Schwester Eva eine dicke, fette, wabelige, und mit sehr weißer Haut unterrichtete uns in Religion und bekam den Spruch mit. Als es zur Pause klingelte musste ich im Flur auf sie warten. Sie kam mit einem Bambusstock wieder und ließ ihn einmal durch die Luft sausen, so das ein Geräusch entstand.

    Dann musste ich die Hände ausstrecken mit den Handrücken nach oben und dann haute sie sehr gezielt auf meine Fingernägel. Ich heulte natürlich los und konnte vor Schmerz auch gar nicht aufhören. Nach einigen Schlägen meinte sie, je länger du heulst um so länger dauert es bis ich aufhöre. Nicht zu heulen fiel mir verdammt schwer und irgendwie, die Zeit schien mir endlos, bis ich die Zähne zusammen und verkniff mir das heulen. Ja und endlich hörte sie auf.


    Mittlerweile schellte es und die Pause war zu Ende. Wir hatten eine viertel Stunde Pause. Da war ich 10 Jahre alt.

    Ja das waren die ersten Tage. Und ich wurde noch stiller als ich eh schon war. Vor allem weil mich die anderen Kinder nicht verstanden, denn ich sprach nur dieses Aachener Platt was mir gründlich aus meinem Gedächtnis geprügelt wurde. Heute kann ich nicht ein Wort mehr davon, geschweige das ich es verstehe. Die Prügel haben bis heute ihren Zweck erfüllt. Ich weiß nicht, aber es mag auch Einbildung sein, es verging keine Tag ohne das man nicht wenigstens einmal durch gehauen worden zu sein. Es musste nicht mal einen Anlass dafür geben.


    Abends wenn wir um 19:00 Uhr zu Bett gingen durften wir nicht aufstehen. Somit waren auch Toilettengänge tabu. Wie gesagt, unsere Schlafzimmer gingen links von einem endlos langen Gang ab und ich lag genau am Ende des Ganges. Ich hatte mittlerweile eine sehr nervöse Blase und ständig den Drang aufs die Toilette zu müssen. Ich nahm einige Male meinen ganzen Mut zusammen und schlich den langen Flur so leise ich konnte entlang. Am Ende des Flures ging rechter Hand der Ess- und Aufenthaltsraum ab und genau von diesen gegenüber die Toiletten. Bevor ich zur Toilette ging lugte ich immer ganz vorsichtig in den Aufenthaltsraum und wenn die Nonne nicht gerade hinschaute, huschte ich schnell los. Sie saß immer so, das sie sehen konnte, wer zur Toilette ging.


    Nach dem Toilettengang das gleiche Spiel. Aber das war schon schwieriger und prompt wurde man erwischt und durch geprügelt. Also fing ich an ins Bett zu machen. Lt. Akte hatte man das sehr wohl bemerkt - doch komischerweise wurde ich nie bestraft dafür. Ich fing an, nach dem Kontrollgang der Nonne ob wir auch schliefen mit dem Kopf wie wild hin und er zu schaukeln, steckte dabei meinen Daumen in den Mund und drehte mir die Ohrmuscheln nach innen. Das machte ich jeden Abend und irgendwann schlief ich darüber ein.

    Gedanklich muss ich mich erst sammeln und in die Vergangenheit kramen, den es liegt ja schon alles zig Jahre hinter mir.


    Aber bald bin hier zurück und dann schreibe ich weiter.

    Meine erste Prügel


    Geschah am zweiten Tag bezw. am Abend. Wie immer gingen wir um 19:00 Uhr zu Bett und irgendwann kam Schw. Edelburga und kontrollierte einige Mädchen und anderen auch mich ob wir schliefen. Ich lag mit dem Gesicht zur Wand und sie beugte sich weit über das Bett um mein Gesicht zu sehen.

    Hätte ich gewußt was da auf mich zu kommt, hätte ich mich schlafend gestellt. Die Nonne war so weit über mein Bett gebeugt, das ich meinen Kopf kaum drehen musste, um sie an zu sehen. Nach endlos langen Sekunden zog sie sich zurück und ich atmete auf.


    Doch plötzlich und völlig unerwartet, griff sie mir in die Haare und zog mich aus dem Bett und schleifte mich zum Flur. Ja, was soll ich sagen, es waren die ersten Prügel meines Lebens und das war heftig. Ich stand total unter Schock, das ich nicht mal schreien oder weinen konnte. Sie schlug nur mit der flachen Hand, aber das reichte schon. Ich weiß nicht wie lange sie sich an mir verausgabte doch irgendwann ließ sie von mir ab und scheuchte mich zu Bett. Ich lag ganz starr und irgendwann schlief ich Gott sei Dank ein.

    Von da ab habe ich mich immer schlafend gestellt.

    Bevor ich weiter üüber dieses Heim schreibe, muss ich noch einfach wieder kurz nach Aachen zurück reisen.


    In Aachen ging ich zur Volkschule, fast zwei Jahre lang. Aber ich habe keine Erinnerungen daran. Ich weiß nicht mal wie ich schreiben und lesen gelernt habe. Die Volksschule war nicht weit vom Heim entfernt und wir gingen ohne erwachsene Begleitung zur Schule. So sehr ich auch versuche die Tür hinter denen die Erinnerungen gelagert sind zu öffnen, ich bekomme sie einfach nicht auf. Ich weiß nicht mal, wie ich zur Schule kam und auch wieder zurück.


    Ich war ein dickes Kind, ein sehr gefräßiges Kind, das sich alles in den Mund stopfte, was mir in die Finger kam. So auch eines Tages kurz vor dem Heim. Ich wollte gerade ein klebriges und schmutziges und durch gekautes Kaugummi von der Straße kratzen, als ein Auto mit quietschenden Bremsen zum stehen kam. Zwischen dem Auto und mir passte nicht mal eine Zeitung. Der Mann der das Auto fuhr stieg aus und fragte nur ob ich mir weh getan hätte. Ich schüttelte nur den Kopf und dann ging der Mann zu seinem Auto, holte eine Tafel Schokolade und gab sie mir, mit dem guten Ratschlag, besser auf die Strasse zu achten. Dann stieg er in sein Auto und meine Lieblingsschwester zog mich von dem Auto, wo ich ungerührt stehen geblieben war, weg. Das alte Kaugummi musste ich ausspucken, doch die Schokolade durfte ich behalten.


    Die zweite Erinnerung ist die, das wir irgendwann in einem Park spielten tobten, und rumkletterten. Auf einer Bank saß ein Polizist mit seinem Schäferhund. Einige Kinder und ich liefen zu dem Mann hin, weil wir unbedingt den Hund streicheln wollten. Der Polizist erlaubte das und erzählte ein wenig von seinem Hund. In meinen Augen war der Hund riesig und ich versuchte mich auf seinen Rücken zu setzen. Der Hund drehte ganz gemütlich den Kopf zu mir um zu sehen, wer da auf seinen Rücken wollte. Als der Hund mich ansah, bin ich wirklich voller Panik weg gelaufen und hörte den Polizist noch lachen.


    Doch jetzt reise ich zurück ins Franz-Sales-Haus.

    Franz-Sales-Haus / Einzug


    Als wir durch den Eingang gingen, war linker Hand eine Pforte in der ein Mann saß. Er meldete uns bei den Direktor des Heimes an. Meine Lieblingsschwester und er unterhielten sich über Dinge die ich nicht verstand. Ich war wie benebelt, wie vor den Kopf gestoßen.


    An einem Abschied von meiner Lieblingsschwester erinnere ich mich nicht, nur das plötzlich eine andere Nonne neben mir stand und wir drei Etagen hoch die Treppen hoch liefen, zur Station drei.


    Auf Station gingen wir gleich in den Aufenthaltsraum der gleichzeitig als Ess- und Spielraum diente. An diesem Raum grenzte noch ein Raum an, der durch eine Art Glasscheibe mit dem Aufenthaltsraum verbunden war. Er diente für Besuche. Aber soweit ich mich erinnere wurde er nur selten diesbezüglich genutzt.


    Als wir in den Aufenthaltsraum gingen, starten mich 29 Mädchen neugierig an. Niemand sprach. Wir saßen in einem Kreis und plötzlich drückte mir Schw. Edelburga, so hieß die Nonne ein Buch in die Hand und ich sollte eine Geschichte daraus vor lesen.


    Ich schlug das Buch auf und fing an vorzulesen. Einige der Mädchen waren ganz erstaunt, das ich mit meinen acht Jahren schon, fast fließend lesen konnte.


    Wie nach dieser Geschichtsstunde weiter ging weiß ich auch nicht so recht. Die Mädchen wurden mir nicht vorgestellt und mit der Zeit schnappte ich den einen oder anderen Namen auf. Von den 29 Mädchen sind mir wirklich nur drei Namen in Erinnerung geblieben und in den acht Jahren, wo ich auf dieser Station war, kannte ich als ich entlassen wurde nicht einmal die Hälfte der Namen von den Mädchen.


    Am Abend standen wir nach dem Abendbrot in eine Schlange vor den Toiletten. Vier Mädchen wurden ausgesucht, die bis ca. 10:00 Uhr aufbleiben durften.

    Die anderen mussten um 19:00 Uhr zu Bett und durften nicht mehr aufstehen.


    Nach dem Toilettengang ging es in den Waschraum. Ich glaube 10 Waschbecken waren nebeneinander.


    Nach dem Waschen ging es dann in die Schlafräume. Mein Schlafraum war am Ende des Ganges (es war ein endlos langer Flur) der mit dem Zimmer der Nonne mit einem Fenster verbunden war.


    Als ich im Bett lag, drehte ich mich zur Wand und weinte richtig drauf los, denn mir war bewusst geworden, das es kein zurück nach Aachen mehr gab.


    Die Nonne kontrollierte einige Mädchen ob sie auch schliefen und kam auch an meinem Bett. An diesem Abend ließ sie mich in Ruhe und sagte nur; "Benimm dich gut, dann hast du es gut."


    Kurz darauf bin ich eingeschlafen.

    Am nächsten Morgen wurden wir geweckt und standen auf. Ich versank wieder in meine Dunkelheit, die sich erst aufhellte als wir vor einem großen Haus standen in dem mit großer goldener Schrift Franz-Sales-Haus stand was mir als erstes bewusst ins Auge fiel.


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    Dieses Heim sollte für die nächsten acht Jahre, mein Aufenthalt sein.

    Puppen und Pflanzen.


    Nach Bonn ging es wieder zurück ins Waisenhaus in Aachen. Mittlerweile war ich acht Jahre alt. Und dann kam der Tag als man mir sagte, das ich das Heim verlassen muss. Doch bin ich mir nicht sicher, ob man mir das überhaupt sagte. Unsere Lehrerin aus der Volkschule, an die ich mich überhaupt nicht erinnere und ich glaube ich hätte sie damals auch kaum erkannt, wenn man sie mir gegenübergestellt hätte, schenkte mir am Vortag vor meiner Abreise eine Puppe.


    Sie war noch eingepackt und sie schaute mich mit tiefblauen Augen an. Ich nahm die Puppe und Abends nahm ich sie mit ins Bett. Im Bett lag ich auf den Rücken und hob die Puppe über meinen Kopf, so das sie über mir schwebte. Ich schaute die Puppe lange an ohne irgendetwas zu denken. Ich schaute sie nur an und dann legte ich sie unter meinem Bett. Sie würde heute vielleicht noch darunter liegen, wenn das Heim nicht abgerissen worden wäre.


    Ich verschwendete keinen Gedanken mehr an diese Puppe und schon gar nicht am Tag meiner Abreise. Ich mag keine Puppen. Ich mag ihre starren, gefühlslosen Blicke nicht. Man erkennt keine Mimik, keine Gefühle. Man erkennt gar nichts, außer ein starres aus welchem Material auch immer hergestellt, ein Ding, was mir als achtjährige Angst einflößte. Ich habe heute keine Angst mehr vor Puppen, aber ich mag sie immer noch nicht. Wenn meine Tochter sich und sie war ein Fan von diesen Barbie Puppen, so ein Ding wünschte, hat es mich wirklich Überwindung gekostet so ein Ding für sie zu kaufen. Aber diese Barbie war ja nicht für mich. Und wenn Jasmin mich zum Tee einlud mit ihren Barbies (so sehr ich meine Tochter liebe und gerne mit Ihr gespielt habe) in diesen Falle war ich einfach nicht in der Lage dazu.


    Woher diese Abneigung gegen Puppen kommt, weiß ich nicht. Sie war einfach da und diese Abneigung ja fast Hass gegen Puppen, kann ich mir bis heute nicht erklären.


    Genau so ist es auch mit Pflanzen und Blumen. Ich habe eine riesen Abneigung davor. Klar ich finde sie nur aus weiter Ferne schön und ich freue mich auch darüber wenn man mir Blumen schenkt. Aber es ist mehr als eine gekünstelte Freude, weil die Geste lieb gemeint ist und ich denjenigen der mir Blumen schenkt, nicht vor den Kopf stoßen möchte.


    Doch irgendwie scheinen Pflanzen und Blumen meine Abneigung zu spüren und sie lassen irgendwie, wenn sie mich sehen die Köpfe hängen. Mir ist es nur lästig sie in eine Vase zu stellen und nach drei Tagen kann ich sie in den Abfall schmeißen, weil ich ihnen kein Wasser gebe. Oder sie stehen solange im gleichen Wasser bis es anfängt zu stinken, das Wasser meine ich.


    Wo her diese Abneigung gegen Pflanzen und Blumen kommt weiß ich nicht und wenn ich ehrlich bin, helfe ich Klaus nur widerwillig in unseren Garten. Zum Glück, macht er diesen fast allein.

    Kinderpsychiatrie Bonn


    Auch an diese Zeit, es waren vier Wochen, die ich dort verbrachte, erinnere ich mich kaum. Keine Erinnerungen an irgendwelche Untersuchungen, keine Erinnerungen an Besuche (bekam auch keine) kaum Erinnerungen an die anderen Kindern oder der Mitarbeiter/innen.


    Ich erinnere mich nur daran, wenn der Arzt mit seinen weißen Kittel, die Hände in dessen Taschen, den Wohnbereich besuchte, alle Kinder wie die sieben Geißlein unter dem Bett verschwanden. Als das beim 1. mal passierte, stand ich ganz allein mitten im Raum und verstand überhaupt nicht warum alle Kinder unter den Betten verschwanden. Aber ich lernte schnell und obwohl mir damals absolut nicht klar war, verschwand ich auch unterm Bett, wenn der Arzt den Wohnbereich betrat.


    Ja und an Fernsehen erinnere ich mich noch und an einem Märchenfilm. Ich weiß nicht mehr wie er hieß und habe trotzdem danach gesucht, aber leider nicht gefunden.


    Das sind meine einzigen Erinnerungen an Bonn und die Kinderpsychiatrie.


    Demnächst geht es weiter.