Weihnachtsüberraschung
Wie ich schon irgendwo geschrieben hatte, setzte ich ---nach einem missglückten Start---meine Bäckerlehre in der Nähe meines ehemaligen Heimes fort.
Die Wochenenden verbrachte ich im Heim--eigentlich war das kein *Muss*, aber erstens fand ich in dem Kaff keine Anbindung ( gefährliches Heimkind<<<Ironie ) und ich hatte den Eindruck, dass es der Frau Meisterin recht war, wenn ich am Wochenende nicht im Haus war.
( Wenn ich so nachdenke, war es doch Bedingung, das ich am Wochenende weg musste???)
Obwohl das auch Quatsch war! Denn am Samstag musste ich sowieso bis etwa 14 oder 15 Uhr arbeiten---(wohl angemerkt: von Freitag Nacht 23 Uhr.) Und Sonntag am Spätnachmittag musste ich wieder in der Backstube stehen um alles für den Montagmorgen vorzubereiten. Sauerteig für das Brot ansetzen etc. Die Weihnachtszeit kam, und damit Arbeit fast rund um die Uhr. Neben dem üblichen Backwerk kam nun noch das Weihnachtsgebäck und die Stollen dazu. Beschweren ging nicht, denn immer hing die Drohung in der Luft: *Wenn Du nicht spurst, melden wir es dem Jugendamt* usw...
Aber das alles nur nebenher.
Also , der *Heilige Abend* kam und die liebe Frau Meisterin meinte, ich kann, soll, muss, darf am 24. Dez. nachmittags nach Hause fahren um das Familienfest mit meiner lieben Familie zu feiern.
Natürlich musste ich bis zum Mittag noch arbeiten, dann schnell noch in der Backstube putzen, duschen usw.
Im Hausflur standen zwei große Koffer, die hatte die Frau vollgepackt mit Lebensmitteln. In einem Koffer war sogar eine bratfertige Weihnachtsgans--ich muss schon sagen, da waren sie sehr sehr großzügig. Klamotten, Waschzeug schleppte ich in meiner Reisetasche mit.
Der Meister fuhr mich zum nächsten Bahnhof, kaufte die Fahrkarte, drückte mir Geld in die Hand. Und weg war er.
Nach vielem Fragen und Suchen saß ich im Zug und ab ging es Richtung *Heimat.* Gefühlsmäßig war ich hin und her gerissen--war ich doch nie richtig zur Familie gehörig.
Meine Familie hauste immer noch in der Schloßruine. Wie ich damals vom Bahnhof aus da raus kam, weiß ich nicht mehr. Busse gab es nicht--eigentlich blieb da nur ein Taxi--ich weiß es einfach nicht mehr. Jedenfalls schleppte ich die Koffer die unbeleuchtete Treppe hoch und musste einige Male an die *Wohnungstür* klopfen, bis diese geöffnet wurde. Mein Stiefvater stand in der Tür und stotterte noch mehr als sonst:
*Du ..dudu..da ..du dudu*..ich grüßte und ging an ihm vorbei in die *Wohnung.* Das Mütterlein sah mich und begann herzergreifend zu schluchzen. *Der verlorene Sohn ist gekommen*---diese hinterhältige verlogene Kuh!
Meine jüngeren Geschwister saßen am Tisch und schauten mich mit großen Augen an.
An einen Weihnachtsbaum kann ich mich nicht erinnern. Und überhaupt, es war alles verwahrlost wie immer.
Die Koffer wurden ausgepackt und eine Fresserei begann. Ich mochte gar nicht zuschauen. Erinnerten die Kleinen mich doch an meine Zeit vor dem Heim.
Am nächsten Tag wurde alles zusammengekratzt was an Gewürzen da war und die Gans landete in der Bratröhre. Es war alles ein Chaos! Der Ofen war ein Holz-Kohle-Ofen und natürlich gab es weder Holz noch Kohlen. Das bettelte der Stiefvater bei den anderen *Schloßbewohnern* zusammen. Zu der Gans gab es irgendein Kraut und Kartoffeln--beides war im Herbst von den Feldern in der Nachbarschaft *geerntet* worden.
Ich erinnerte mich daran, wie ich früher--wenn ich mal zu Hause war---nachts um drei Uhr geweckt wurde, wiel ich *Schmiere* stehen musste, während die Erwachsenen die Felder heimsuchten.
Die Gans war vertilgt, die *Eltern* verzogen sich auf das Sofa und die Kleinen verkrochen sich in ihre Betten---da war es wenigstens etwas warm.
Ich saß ratlos am Tisch als es an der Tür klopfte. Ich ging, öffnete die Tür und herein kam eine Familie , mit der wir früher von einem Lager in's andere gezogen waren. Anständig fragten sie, ob sie die Knochen abnagen dürften, da sei ja noch sehr viel Fleisch dran. Ich sah beim besten
Willen kein Fetzelchen Fleisch, aber was soll's....ich schob die Platte mit den Knochen zu ihnen rüber und sie nagten wirklich daran herum.
Was für ein Elend....
Wenn ich mich recht erinnere fuhr ich noch am Nachmittag zurück zu meiner Lehrstelle.