Bevor ich wieder was über Gramit schreibe....
Meine Nelly war jahrelang Epileptikerin und ich weiß wie schlimm das ist. Aber damals hatte man keine Ahnung von dieser Krankheit. Das war zu dieser Zeit noch so, dass man Menschen mit Behinderung lieber nicht in die Öffentlichkeit ließ---oft der Nachbarn wegen.
Wir waren damals Unwissend und dann....
eines Tages rief Gramit uns ( meine Gruppe ) hoch ins Büro und erklärte uns, wir würden für einige Zeit einen neuen Praktikanten bekommen.
Er sei Epileptiker und wir sollten etwas auf ihn aufpassen. Das war's--keine Ahnung, was ein Epileptiker war.
Am anderen Tag brachte er dann den neuen Praktikanten --wir saßen gerade beim Mittagessen im Speisesaal.
Ein langer Schlacks....er grüßte kurz, setzte sich auf Hänslers Platz und begann zu essen--Gramit verschwand ohne ein Wort.
Bei der Suppe war alles ok...beim Hauptgang begann der Neue plötzlich an zu zittern, verdrehte die Augen und bevor er sich verkrampfte, flogen Messer und Gabel durch die Luft. Hilflos suchten wir Deckung--da kam ein Erzieher vom Nebentisch, griff schnell nach den Neuen und fummelte an dessen Mund rum...nach ein paar Minuten hörte das Zittern usw. auf...der Neue suchte nach Messer und Gabel--was wir ihm eifrig geban--und begann wieder zu essen. ( Am Mund rumfummeln: Der Erzieher hat verhindert, dass der Neue seine Zunge nicht verschluckt. So hatte er es uns erklärt.)
So etwas passiert hin und wieder, aber mit der Zeit lernte wir einigermaßen damit umzugehen.
Mir fällt sein Namen nicht mehr ein!!--Ich nenne ihn einfach mal *Franz.*
Franz war stur, eigenwillig und schikanierte uns ganz schön. Gramit meinte, wir sollten ihn einfach in alles einbeziehen was wir machten...
Irgendwann bauten wir aus 4 Kinderwagenrädern mit Achsen, einen Strick und einem Brett und ein paar anderen Teilen einen fahrbaren Untersatz mit Lenkung.
Mit dem fuhren wir abwechselnd den Postweg runter, der von der Hauptstraße ins Heim führte. War schon ganz schön steil. Unten standen ein paar Birken und da musste man aufpassen, das man da nicht reinfuhr.
Natürlich war *Franz* auch dabei--und dann wollte er auch fahren. Was wir ihm verzweifelt ausreden wollten. Aber er wurde immer bösartiger--und da meinte Klaus, Gramit hatte gesagt, wir sollten *Franz* in alles einbeziehen---also gut, dann geben wir *Franz* unser Gefährt, der setzte sich drauf und ab ging die Post. Wir schauten ihn nach...er zitterte plötzlich los und krachte gegen die Birken. Er sah vielleicht aus--und unser Gefährt war im Eimer.
*Franz* wurde ins Krankenhaus gebracht, war am Abend wieder da. Ein paar Pflaster im Gesicht und ein Arm war etwas verstaucht. Alles gut...
*Franz* war dann noch ein paar Wochen oben im Büro beschäftigt und verschwand dann aus unserem Leben--ohne sich zu verabschieden.
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Etwa zweieinhalb Jahre später setzte ich meine Lehre in Wildenstein fort. Eines Tages brachte Emil, mein Meister, einen Gesellen an. Der hieß Egon--und war Epileptiker. Emil fuhr morgens seine Ware aus und ich musste neben meiner Arbeit noch auf Egon aufpassen, dass er nicht in die laufende Teigknetmaschine griff um zu schauen wie der Teig wird. Wenn er einen Anfall bekommt ist der Arm ab---oder Egon wird in die Maschine gezogen und mitgeknetet. Greißlich...
Eines Tage gab Egon Zucker statt Salz in den Brotteig....der gärte wie verrückt und wir ( Meister Emil und ich ) verlängerten den Teig mit mehr Mehl, Hefe und Salz--und da konnte wir dann doch noch Brot daraus backen. Kein Kunde hat sich beschwert.
Aber das war das Ende von Egons Tätigkeit in der Bäckerei. Ich weiß nicht-warum er Zucker und Salz verwechselt hat. Hatte es vielleicht etwas mit einem Anfall zu tun...