Beiträge von Hippie

    Briefchen....

    Wenn wirklich nix mehr ging, kamen die Briefchen an die Reihe.

    Meine jüngere Schwester und ich mussten dann zum Sozialamt gehen. Zu Herrn Werner --der damals der Chef dort war.

    Vorher wurde geprobt, damit wir so richtig hungrig aussahen. Aber die Probe war überflüssig, denn wir schoben sooft Kohldampf, das wir ganz schön abgemagert waren.

    In den Briefchen kündigte *Mutter* an: *Wenn sie keinen Vorschuss von der Sozialhilfe geben, dann drehe ich den Gashahn auf und bringe mich und die Kinder um.*

    Mit ähnlichen Briefen mussten wir auch zur Kreissparkasse gehen. Zu Herrn Süß ( Süss ?) , der damals der Direktor war. Da verlangte *Mutter* Vorschuss vom Kindergeld.

    Natürlich mit ähnlicher Drohung. Gashahn aufdrehen usw..

    Die gutmütigen Herren gaben natürlich den *Vorschuss*---der dann wieder an der Sozialhilfe und dem Kindergeld fehlte. Irgendwie eine Schraube ohne Ende.

    Das mit der Drohung war natürlich ein Witz, denn das Gas war ja immer ( oder meistens ) abgeklemmt, weil *Mutter * nie die Rechnungen bezahlte.

    Irgendwann gab es keinen Vorschuss mehr und in den Geschäften in der Umgebung hatten wir Schulden. Da gab es auch nix mehr. Dann klapperten wir die Pfarrstellen ab.

    Irgendwann hatte ich auf den ganzen Scheiß keinen Bock mehr und kümmerte mich wieder um mich selbst.

    ©Hippie

    Gutscheine

    Als Sozialhilfeempfänger hatte man 2 x im Jahr Anrecht auf *Kleidergeld*--im Frühjahr und im Herbst.

    Auch auf *Kohlegeld*--und auch für Renovierung der Bruchbuden und wenn man genug Schau abzog auch mal eine Waschmaschine etc.

    Da das Geld meistens von den *Bedürftigen* verjubelt oder versoffen wurde, gab es statt Bargeld oft Gutscheine.

    Natürlich nahmen nicht alle Geschäfte die Gutscheine an und so musste man --mehr oder weniger-- immer in die gleichen Geschäfte gehen.

    Und selbst da wurde geflüstert und mit den Fingern auf uns gezeigt. Und ab und an wurden wir auch beschimpft. *Flüchtlingspack* und

    *Gesindel* waren noch die höflichsten Ausdrücke.

    Ich weiß, dass das Verhalten mancher Flüchtlinge nicht gut war--und die eifrig dazu beitrugen, dass man über sie schimpfte. Aber wir Kinder konnten doch nichts dafür.

    In Esslingen gab es damals 2 *führende* Schuhgeschäfte. Das Schuhhaus *Gold*--gegenüber der *Neckarwerke* ( Strom und co.). Und das Schuhhaus

    *Loser* in der Küferstraße. Zu *Gold* brauchten wir mit den Gutscheinen gar nicht gehen--der Laden war für die Reichen.

    Also zu *Loser.* Einmal musste ich allein dahin gehen--*Mutter* war *unpässlich* ( einfach zu faul ).

    **Herr Loser ( Der Besitzer) empfing mich voller Freude, fragte was ich wolle und führte mich zu einen Hocker auf dem ich mich platzieren durfte.

    Dann musste eine Angestellte verschiedene Winterschuhe holen, die man mich probieren lies. Als ich die passenden Schuhe gefunden hatte, durfte ich sie gleich anbehalten. Dankbar nahm Herr Loser den Schuldschein, geleitete mich zur Tür, hielt dieselbe für mich auf und mit den besten Wünschen verabschiedete er sich von mir.**

    Das war die gelogene Version.

    Die richtige Version:

    Herr Loser fragte barsch was ich wolle. Ich stotterte eingeschüchtert und hielt ihm den Gutschein hin. Er riss ihn mir aus der Hand und nachdem er die Summe studiert hatte, die auf dem Schuldschein stand, legte er ihn in die Kasse. *Winterschuhe sollte ich haben,* sagte ich zaghaft, worauf er im Lager verschwand. Nach einer Weile ( die ich unter strenger Beobachtung der Angestellten verbrachte ) tauchte der Herr Loser wieder auf.

    Er reichte mir ein Paar sehr spitze Herrenhalbschuhe aus braunem Wildleder ( super für das Winterwetter ) und meinte, ich solle die mal anprobieren.

    *Bestimmt drei Nummern zu groß*, sagte ich *und ich möchte gerne Winterschuhe.*

    *Die oder keine,* meinte er. Und ich solle eben vorne in die Schuhe Zeitungspapier stecken.

    Ich zog meine alten Schuhe an, nahm die Neuen, die er mir in die Hand drückte, und ging nach Hause.

    Meine *Mutter* hörte --wie immer--nicht zu, als ich ihr vom Schuhkauf erzählen wollte und so versuchte ich die neuen Schuhe zu tragen. Es ging nicht. Das Zeitungspapier wurde vom Schnee nass und klumpte zusammen. Blasen und wunde Füße....und ständig verlor ich die Schuhe.

    Also zog ich die alten kaputten Schuhe wieder an und hoffte das der Frühling bald kommt. Denn da bekamen wir wieder einen Gutschein für Schuhe und vielleicht bekam ich dann im Kaufhaus Hertie ein Paar schöne neue Schuhe.

    ©Hippie

    Schild-Bürger


    "Schildbürger" ist ein Begriff, der sich auf die Bewohner der fiktiven Stadt Schilda bezieht, die in deutschen Schwänken und Geschichten für ihre scheinbare Dummheit und ihre wörtliche Auslegung von Redewendungen und Situationen bekannt sind. Sie sind Protagonisten der "Schildbürgerstreiche", einer Sammlung von Geschichten, die sich über die Einfältigkeit und das ungeschickte Verhalten der Bürger von Schilda lustig machen

    Quelle: NET