Nachdem ich mehr oder weniger bestürzt aus dem Heim entlassen wurde, kam ich ins Jugenddorf Zehnthof. Vom ersten bis zum letzten Tag blieb ich dort eine Einzelgängerin. Nicht weil ich das wollte, nein ich wurde vom ersten Tag dort in diese Rolle hinein gedrängt. Ich erinnere mich an den erste Abend als ich dort war. Es ging zum Abendbrot. Niemand sagte mir wann zu Abend gegessen wurde.
Ich war in einem Zimmer das ich mit drei anderen Mädchen teilte. Aber ich sah sie kaum und sie blieben Abends immer lange weg so das ich nie mitbekam, wann sie zum schlafen kamen, weil ich dann meistens schon schlief.
Irgendwann an diesen ersten Abend verließ ich mein Zimmer und durch Zufall entdeckte ich den Speisesaal. Dort waren alle die im Jugenddorf waren versammelt, saßen an ihren Tischen, erzählten, lachten, und aßen. Ich schaute mich um ob ich noch einen freien Platz finde, ja und da gab es doch tatsächlich noch einen freien Platz. Ich ging darauf zu und als ich zum Tisch kam und mich setzen wollte, sagte mir einer von den Jugendlichen, das dieser Platz schon besetzt sei und ich mir einen anderen suchen sollte. Also schaute ich mich weiter um und fand dann endlich einen Tisch an dem ich mich setzen konnte ohne das irgendein Kommentar von irgend jemanden kam. Ich hatte richtig Hunger. Aber ich aß nur eine Scheibe Brot und trank eine Tasse Tee. Ich traute mich einfach nicht mehr zu essen. Ich war damals ziemlich dick, ja fast fett, sah nicht gut aus, hatte noch die Heimklamotten an. Niemand sprach mit mir, wurde nur angestarrt, als wenn ich von einem anderen Stern wäre. Nachdem ich gegessen hatte ging ich auf mein Zimmer und verließ es auch nicht mehr.
Am nächsten Tag ging dann die Schule los. Ich bekam meinen Platz in der Klasse und erfuhr von den Lehrern die alle männlich waren, die gleiche Verachtung und Missachtung wie von all den Jugendlichen dort.
Das lernen fiel mir schwer weil es viel Lernstoff gab von dem ich nie gehört habe. Im Franz-Sales-Haus gab es nur eine Sonderschule und dort war zum Beispiel von Physik und Chemie, Geschichte und Politik und was es noch alles an für mich für neuen Lernstoff gab keine Rede. Ich verstand vieles nicht. Aber ich ließ mir das überhaupt nicht anmerken. Nur in Mathe tat ich mich unheimlich schwer.
Es waren viele Mädchen da die recht gut aussahen und die wurden von den männlichen Lehrern und auch von den männlichen Erziehern im Jugenddorf bevorzugt. Wie gesagt, ich war dick, ja fast fett, sah nicht gut aus und hatte so gut wie keine Sachen zum anziehen, Eigentlich hatte ich nur das, was ich an hatte als ich aus dem Heim entlassen wurde. Gut darüber mokierte sich kaum einer, aber man ließ es mich spüren.
So ging es Tag für Tag. Ich war Spott und Häme ausgesetzt. Niemand wollte etwas mit mir zu tun haben. Ich blieb allein.
Ja und dann kam irgendwann Gisela (das ist der einzigste Name der mir in Erinnerung geblieben ist). Sie freundete sich mit mir an und ohne Misstrauen ihr gegenüber erzählte ich ihr, vorher ich komme, wer meine Mutter war und das ich eben ein Heimkind war das nur auf eine Sonderschule gegangen ist. Ich hätte das nicht tun sollen und schon wussten es am nächsten Tag alle.
Als wir am nächsten Tag in irgendeiner Klasse saßen, ging der Ärger los. Vor mir saß ein Mädchen, die über das was ich Gisela erzählt hatte glaubte, einen blöden Witz zu machen, so das sich die halbe Klasse deswegen auf den Boden rollte, holte ich aus und knallte ihr von hinten sitzend so richtig eine ins Gesicht. Das war richtig schmerzhaft, denn ich traf ihr rechtes Ohr das ihr danach noch tagelang weh tat.
Als ich am Abend so im meinen Bett lag, kam eine Gruppe Mädchen zu mir ins Zimmer und forderten mich auf mit ihnen in den Keller zu kommen, weil das Mädchen was ich geschlagen hatte, sich mit mir prügeln wollte um sich für den Schlag zu bedanken. Ich wollte nicht. Also wurde ich als Feigling und Memme beschimpft und schließlich ging ich mit in diesen besagten Keller. Ein Haufen der Mädchen waren schon da. Es wurde ein Ring gebildet und ich stand mit den Mädchen in sowas wie einem Boxring. Dann ging die Schlägerei los. Zuerst wehrte ich mich und aber dann bekam ich einen Flashback. Ich sah die Nonne, Schw. Edelburga auf mich einprügeln, nicht in der Lage mich zu wehren. Ich weinte vor Schmerz und Wut. Ich war nicht mehr in der Lage mich gegen das Mädchen zu wehren. Ich ließ sie auf mich einschlagen. Nach kurzer Zeit bemerkten es die darum herum stehenden Mädchen und auch das Mädchen das auf mich einschlug. Sie ließ von mir ab und plötzlich stand ich ganz allein im Keller. Doch es dauerte eine Weile bis ich das bemerkte, weil ich immer noch in dieser Prügelszene von der Nonne hing.
Als das vorbei war, ging ich auf mein Zimmer und heulte mich in den Schlaf.
Fortsetzung folgt: